Weite des Raumes

Der in Freiburg lebende Bernhard Kunkler, den Sie hier als Maler kennenlernen, konnte auf eine überaus erfolgreiche Karriere als international tätiger, preisgekrönter Grafiker und Illustrator zurückschauen, als er 2014 beschloss, sich fortan ausschließlich der Malerei zu widmen. Die Hinwendung zur abstrakten Malerei, weg von der gegenständlichen Auftragsarbeit, bot Bernhard Kunkler die künstlerische Freiheit, die er als Graphiker vermisst hatte. Eine Freiheit, die die Voraussetzung schuf für die Entstehung des Werkzyklus, an dem Bernhard Kunkler seit 2017 arbeitet und der mit dieser Ausstellung einen Abschluss findet.

Die Inspiration für die oft großformatigen, ungegenständlichen Gemälde fand Bernhard Kunkler in den Eindrücken einer Mongolei-Reise im Jahre 2016. Keine bequeme Studienreise, sondern ein mehrwöchiger, abenteuerlicher und sicher recht anstrengender Trip, bei dem der Künstler mit einer kleinen Gruppe und zu Pferde die Weite dieser einzigartigen, kaum besiedelten Landschaft kennenlernte.

Die überwältigenden Eindrücke der Reise, die Gefühle, die sich angesichts der großartigen Landschaft einstellten, aber auch die körperlichen Strapazen (Hitze, Kälte, strömender Regen, seltsames Essen) hielt Bernhard Kunkler in einem Reisetagebuch fest. Diese Notizen dienten ihm seither - neben seinen Erinnerungen - als Grundlage für einen Werkzyklus, mit dem er versucht, das Erlebte bildlich zu verarbeiten.

„Landschaftsbilder“ nennt Bernhard Kunkler diese Gemälde - was auf den ersten Blick vielleicht für etwas Irritation sorgen kann. „Wo ist denn hier die Landschaft?“ mag sich mancher Betrachter/manche Betrachterin angesichts dieser farbüberfluteten Gemälde fragen. Und in der Tat handelt es sich nicht um Landschaftsbilder, die gesehene Landschaft abbilden. Vielmehr versucht Bernhard Kunkler, Gefühle, Sinnes- und Seheindrücke bildlich umzusetzen, die die Landschaft in ihm auslöste. Der Begriff „Seelenlandschaften“ ist deshalb wohl eine treffendere Bezeichnung für diese Gemälde, die aus der inneren Anschauung heraus entstanden sind. Es geht dem Künstler nicht um Darstellung einer realen Landschaft, sondern um das Vermitteln einer Stimmung, die diese hinterließ. Ziel ist nicht, zu zeigen, was war, sondern wie es sich angefühlt hat! Dieses spirituelle Erlebnis versucht der Maler mit seinen Gemälden festzuhalten und an uns weiterzugeben.

Doch wie malt man erinnerte Emotionen? Und kann man der eigenen Erinnerung überhaupt trauen? Denn auch wenn Bernhard Kunkler in seinem Tagebuch Eindrücke, Gefühle und Erlebtes festhielt: entspricht das, was er erinnert, tatsächlich dem, was war? Zu wissen, was man gefühlt hat, ist ja nicht dasselbe, wie das Fühlen. Der zeitliche Abstand verändert den Blick auf die Vergangenheit - und die Distanz zum Erlebten verändert die Erinnerung. Dessen ist sich Bernhard Kunkler sehr bewusst und so stellen die Gemälde den Versuch dar, sich bildlich den erinnerten Emotionen zu nähern.

Die Bildtitel geben einen Hinweis, in welche Richtung eine Deutung möglich wäre, lassen dabei aber viel Raum. Es ist zweitrangig, ob wir als Betrachtende genau das erspüren, was der Künstler beim Malen vor Augen (oder besser: im Kopf) hatte. So zum Beispiel beim Gemälde mit dem Titel „Im Regal viel Buntes“ ein irres Sammelsurium an Gegenständen in einem Container-Kiosk an einer Wegkreuzung im Nirgendwo. Die Gemälde eröffnen Interpretationsspielräume, legen nichts fest, geben Freiheit. Andererseits fordern sie ein intensives und aktives Sehen, wollen, dass wir uns auf sie einlassen, sie erspüren.
 
Zentrales, ja sogar einziges Element der Gemälde von Bernhard Kunkler ist die Farbe! Zweidimensional, flächig, nie eingeengt durch Konturen, kann sie sich grenzenlos über die Bildfläche ausbreiten, ja diese regelrecht fluten. Die kühlen Blautöne des Gemäldes „Mäandern“ lassen an strömendes, rinnendes Wasser denken. Ein „Gefühl von Leichtigkeit“, das den Künstler überkam, können wir anhand des Gemäldes mit den hellen, zart lasierenden Farbflächen nachvollziehen. Intensive Rosa-Purpur-Violett-Töne, die nach hinten helleren Gelbtönen die Leinwand überlassen, scheinen im Gemälde mit dem Titel „Transit“ vom Übergang der Tageszeiten zu zeugen.

Neben den sich überlagernden Farbschichten, die auf den zeitlichen Fortgang beim Malen hindeuten, scheinen mir die Gemälde einen weiteren zeitlichen Aspekt in sich zu tragen: In den frühen Bildern der Serie ist die Farbe kräftiger, intensiver, die Farbflächen sind schärfer voneinander abgegrenzt. Diese Gemälde scheinen zu zeugen von den noch frischen, sehr intensiven Eindrücken der kurz zurückliegenden Reise. So das Bild „Dahinziehen“ - eines der Ersten aus dem Zyklus - das in kräftigen Farben und dichten, sich überlagernden Farbflächen versucht, Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen der Reise herzustellen: dem Fluss der Wolken, den Rinnsalen und Gumpen voller Wasser, der Erde, Anklängen von Steppe, Vorahnungen auf den Rand der Wüste und - mit einer violettfarbenen Spur - der Vergänglichkeit der Reise. Ein Bild wie ein Farbrausch, geprägt von den überwältigenden Gefühlen, die die Reise beim Künstler auslöste. Die späteren Arbeiten, vor allem die zuletzt entstandenen, sind heller, meist mit sehr flüssiger Farbe lasierend gemalt, manchmal nur ein hauchzarter Farbnebel. Transparent, fast durchscheinend wirken die jüngsten Gemälde - als sei mit dem größeren Abstand zur Reise die Erinnerung an die Eindrücke und Gefühle allmählich verblasst. Naheliegend also, dass Bernhard Kunkler den Bildzyklus zur Mongolei-Reise nun abschließt.

 

Judith Neumann, Kunsthistorikerin M.A.


Expanse of Space

Bernhard Kunkler, who lives in Freiburg and whom you will get to know here as a painter, was able to look back on an extremely successful career as an internationally active, award-winning graphic artist and illustrator when he decided in 2014 to devote himself exclusively to painting. The turn to abstract painting, away from representational commissioned work, offered Bernhard Kunkler the artistic freedom that he had missed as a graphic artist. A freedom that created the prerequisites for the creation of the cycle of works that Bernhard Kunkler has been working on since 2017 and which comes to an end with this exhibition.

Bernhard Kunkler found the inspiration for the often large-format, non-representational paintings in the impressions of a trip to Mongolia in 2016. Not a comfortable study trip, but an adventurous and certainly quite strenuous trip lasting several weeks, during which the artist traveled with a small group and on horseback got to know the vastness of this unique, sparsely populated landscape.

Bernhard Kunkler recorded the overwhelming impressions of the trip, the feelings that arose when faced with the magnificent landscape, but also the physical strain (heat, cold, pouring rain, strange food) in a travel diary. Since then, these notes have served him - alongside his memories - as the basis for a cycle of works with which he attempts to visually process his experiences.

Bernhard Kunkler calls these paintings “landscape pictures” - which may be a bit confusing at first glance. “Where is the landscape here?” some viewers may ask themselves in view of these color-flooded paintings. And in fact these are not landscape paintings that depict the landscape as seen. Rather, Bernhard Kunkler tries to visually translate feelings, sensory and visual impressions that the landscape triggered in him. The term “soul landscapes” is therefore probably a more appropriate description for these paintings, which were created from inner vision. The artist is not interested in depicting a real landscape, but rather in conveying the mood that it left behind. The aim is not to show what happened, but rather how it felt! The painter tries to capture this spiritual experience in his paintings and pass it on to us.

But how do you paint remembered emotions? And can you even trust your own memory? Because even if Bernhard Kunkler recorded impressions, feelings and experiences in his diary, does what he remembers actually correspond to what was? Knowing what you felt is not the same as feeling it. The distance in time changes the view of the past - and the distance from what has been experienced changes the memory. Bernhard Kunkler is very aware of this and so the paintings represent an attempt to visually approach the remembered emotions.

The picture titles give an indication in which direction an interpretation would be possible, but leave a lot of space. It is of secondary importance whether we as viewers sense exactly what the artist had in mind (or better: in his head) when painting. For example, in the painting entitled “Lots of Colorful Things on the Shelf,” a crazy hodgepodge of objects in a container kiosk at a crossroads in the middle of nowhere. The paintings open up scope for interpretation, do not specify anything, but give freedom. On the other hand, they demand intensive and active viewing, they want us to get involved with them and feel them.


The central, even only, element of Bernhard Kunkler's paintings is color! Two-dimensional, flat, never restricted by contours, it can spread limitlessly across the picture surface, even literally flooding it. The cool blue tones of the painting “Meandering” are reminiscent of flowing, trickling water. We can understand a “feeling of lightness” that came over the artist based on the painting with its bright, delicately glazed colored areas. Intense pink-purple-violet tones, which give way to lighter yellow tones towards the back, seem to testify to the transition of the times of day in the painting entitled “Transit”.

In addition to the overlapping layers of color, which indicate the temporal progression of painting, the paintings seem to me to contain another temporal aspect: in the early pictures in the series, the color is stronger, more intense, and the color areas are more clearly demarcated from one another. These paintings seem to bear witness to the still fresh, very intense impressions of the recent trip. This is the picture “Pulling There” - one of the first from the cycle - which uses strong colors and dense, overlapping color areas to try to create connections between the individual elements of the journey: the river of clouds, the rivulets and pools full of water, the earth, Hints of the steppe, forebodings of the edge of the desert and - with a violet touch - the transience of the journey. A picture like a riot of color, shaped by the overwhelming feelings that the journey triggered in the artist. The later works, especially the most recent ones, are lighter, mostly painted with very liquid paint, sometimes just a very delicate mist of color. The most recent paintings appear transparent, almost translucent - as if the memory of the impressions and feelings had gradually faded with the greater distance from the journey. So it's obvious that Bernhard Kunkler is now completing the picture cycle on the Mongolia trip.

Judith Neumann, Art Historian M.A.